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Innovative Praxismodelle und Modelle für die Praxisweitergabe

Vortrag auf dem 10. Landespsychotherapeutentag Berlin am 12.09.2015

Überall liest und hört man von neuen Kooperationsformen wie Berufsausübungsgemeinschaft, MVZs und Job-SharingWas ist denn der Vorteil von den neuen Praxismodellen und Kooperationsformen? Wie unterscheiden die sich überhauptZusätzlich gibt es auch noch das neue Versorgungsstärkungsgesetz. Was ändert sich dadurch? Muss ich demnächst kooperieren oder an meiner Praxissituation etwas ändern?

Diese und ähnliche Fragen wurden im Rahmen des Vortrages behandelt. Das Script zum Vortrag findfen Sie hier zum Download als pdf-Datei. 
 
 
 
Das neue Versorgungsstärkungsgesetz - welche Veränderungen werden sich für Psychologische Psychotherapeuten ergeben?
(Beitrag im Berliner Rundbrief 1/2015 Deutsche PsychotherapeutenVereinigung)

Nach derzeitigem Planungsstand der Bundesregierung soll zum 01.08.2015 das Versorgungsstärkungsgesetz in Kraft treten.
  
Die geplanten Gesetzesänderungen beinhalten u.a. wesentliche und einschränkende Änderungen im Bereich der Nachbesetzung von vertragsärztlichen bzw. vertragspsychotherapeutischen Sitzen.
 
Wenn dieses Gesetz in der geplanten Form in Kraft treten sollte, werden bisher übliche Nachfolgeüberlegungen von abgabewilligen oder übernahmewilligen vertragsärztlich tätigen Ärzten und Psychotherapeuten/Innen ganz neu überdacht werden müssen.
 
Neue Chancen und Risiken werden sich im Rahmen der Gründung und des Bestehens von beruflichen Zusammenschlüssen (Berufsausübungsgemeinschaften, Job-sharing) ergeben.
 
Die nachfolgenden Ausführungen und Überlegungen beruhen im Wesentlichen auf den veröffentlichten Begründungen der Bundesregierung zu den Gesetzesänderungen und können, da das Gesetzgebungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, selbstverständlich lediglich eine Prognose darstellen.
 
Dies gilt ebenso hinsichtlich der Frage, wie die örtlich jeweils zuständigen kassenärztlichen Vereinigungen bzw. Zulassungsausschüsse nach in Kraft treten des Gesetzes die neuen Vorschriften im konkreten Einzelfall auslegen und umsetzen werden.
 
Der nachfolgenden Einschätzung liegen insofern meine Erfahrungen im Rahmen anwaltlicher Beratungstätigkeit im KV-Bezirk Berlin und meine entsprechende Einschätzung der „politischen Linie“ der KV Berlin bzw. des zuständigen Zulassungsausschusses zu Grunde.
 
I. Übertragbarkeit bzw. Nachbesetzung von Sitzen, § 103 Abs. 3 SGB V
 
Die bisherige gesetzliche Regelung in § 103 Abs. 3a SGV sieht vor, dass die Zulassungsausschüsse berechtigt sind ein Nachbesetzungsverfahren abzulehnen, wenn der betreffende Planungsbereich formal überversorgt ist.
 
Der derzeitige Kabinettsentwurf des Gesetzes sieht nunmehr vor, dass Nachbesetzungsverfahren in überversorgten Planungsbereichen, zu dem der Planungsbereich Berlin ja zählt, grundsätzlich durch die Zulassungsausschüsse verhindert werden sollen und Nachbesetzungsverfahren in der bisher üblichen Form dann eine zu begründende Ausnahme darstellen sollen.
 
Dies ergibt sich gesetzestechnisch durch eine auf den ersten Blick für den Nicht-Juristen fast unscheinbare Wortänderung: in § 103 Abs.3a SGB V wird das Wort „kann“ durch das Wort „soll“ ersetzt.
  
In der juristischen Terminologie hat das Wort „soll“ verpflichtenden Charakter im Sinne eines Regelfalls, wobei ein Abweichen hiervon zwar möglich ist, jedoch einer sachgerechten Begründung bedarf.
 
Gesetzgeberische Begründung hierfür ist, in den so genannten überversorgten Planungsbereichen wie eben auch im KV - Bezirk Berlin, die bedarfsplanerisch ermittelte Überversorgung abzubauen.
 
Dies bedeutet für die Zulassungsausschüsse, dass sie zukünftig im Rahmen von Nachbesetzungsverfahren, nicht etwa die Einziehung von Sitzen, sondern deren weitere Ausschreibung/Nachbesetzung, begründen werden müssen.
 
Die Einziehung eines „Sitzes“ muss von der Kassenärztlichen Vereinigung grundsätzlich entschädigt werden, wobei auch hierzu Ausnahmen denkbar sind, etwa bei „Mini-Abrechnern“. Die Entschädigungspflicht folgt aus dem Eigentumsschutz des Art. 14 GG.
 
In Zukunft wird also der übertragungswillige Praxis-Abgeber für seinen Vertragsarzt/Therapeuten-Sitz lediglich eine Entschädigung in ungewisser Höhe von der Kassenärztlichen Vereinigung erhalten.
 
Es steht zu befürchten, dass diese um einiges niedriger ausfallen wird als bisher üblich, denn gerade bei Kauf/Verkauf psychotherapeutischer Praxen im Rahmen von Nachbesetzungsverfahren, stehen die „marktüblichen“ Kaufpreise ohnehin in der Kritik, da der reine Substanzwert psychotherapeutischer Praxen üblicherweise sehr gering ist und der Patientenstamm als ideeller Wert rechtlich nicht auf einen Praxisnachfolger übertragbar oder von diesem wirtschaftlich verwertbar ist.
 
Völlig ungeklärt in diesem Zusammenhang ist, wie sich diese Entschädigungen berechnen werden und wie, ob und in welchem Rahmen die sogenannten Folgeschäden aus der Nichtweiterführung eines Praxisbetriebes ebenfalls entschädigt werden würden.
 
Dies betrifft zum Beispiel die Zahlung von laufenden Krediten für noch nicht abgezahlte Praxiseinrichtungen und Geräte, arbeitsvertragliche Verpflichtungen, gegebenenfalls zu zahlende Entschädigungen an Arbeitnehmer, Verpflichtungen gegenüber weiteren Schuldnern wie zum Beispiel den Vermietern.
 
Dies wird insbesondere im Bereich der somatischen Medizin zu einer Flut von rechtlichen Auseinandersetzungen führen, wobei Rechtssicherheit in diesem Bereich erst dann herrschen wird, wenn die entsprechenden Rechtsstreitigkeiten durch die oberen Instanz Gerichte geklärt worden sind. Dies kann und wird Jahre dauern.
 
Für den Bereich der Psychotherapeuten sind typischerweise die Praxiswerte bzw. relevante und zu beachtende Folgeschäden sehr viel leichter zu berechnen, da üblicherweise aufwändige Praxiseinrichtungen und eine Vielzahl von Angestellten, teure Praxisräume etc. nicht vorhanden sind.
 
Insoweit steht durchaus zu befürchten, dass die vom Gesetzgeber “geforderte“ Einziehung von Sitzen als Regelfall in überversorgten Planungsbereichen die psychotherapeutischen Sitze sehr viel schneller und härter treffen wird, als zum Beispiel fachärztliche Sitze, zumal die Entschädigungssummen für
 
psychotherapeutische Sitze zumindest nach dem Berechnungsmethoden der Ärztekammern auch vergleichsweise niedriger wären.
 
Das Gesetz sieht aber auch Ausnahmefälle vor, in denen der Zulassungsausschuss einen Antrag auf nach Besetzung nicht ablehnen kann. Diese Ausnahmefälle verdienen besonderes Interesse, da bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen bzw. entsprechender vorsorgender Gestaltung der Rahmenbedingungen vertragspsychotherapeutischer Tätigkeit eine ggf. drohende Einziehung des Sitzes vermieden werden kann.
 
Als Ausnahme sieht der Gesetzgeber zunächst die Fälle vor, in denen die Praxis von einem Nachfolger weitergeführt werden soll, der Kind, Ehegatte oder Lebenspartner des Abgabewilligen ist.
 
Eine weitere Ausnahme besteht schon jetzt -und soll grundsätzlich auch bestehen bleiben- für Partner innerhalb einer bestehenden Kooperation/Berufsausübungsgemeinschaft (Gemeinschaftspraxis) bzw. weiterer Zusammenschlüsse wie z.B. MVZs.
 
Als wesentliche Gesetzesänderung in § 103 Abs. 3 SGB V muss jedoch ein Übernahmewilliger im Rahmen des Bestehens einer Berufsausübungsgemeinschaft bzw. eines MVZ in Zukunft mindestens drei Jahre in der bestehenden Kooperation gearbeitet haben.
 
Der Gesetzgeber möchte insoweit die “Umgehungslücke“ der Entscheidungshoheit der Zulassungsausschüsse über das Schicksal von Sitzen über die Gründung/Konstruktion von Berufsausübungsgemeinschaften bzw. Verzicht gegen Anstellung schließen, eine Gestaltungsmöglichkeit, die zunehmend gewählt wird, um Nachbesetzungen dem Zugriff der Zulassungsausschüsse zu entziehen.
 
In den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf wird wörtlich hierzu klargestellt:
 
„die im neuen Satz 4 getroffene Regelung soll verhindern, dass Vertragsärztinnen/Vertragsärzte die Regelungen zum Abbau der Überversorgung durch ein nur kurzfristiges Anstellungsverhältnis oder Jobsharing-Verhältnis umgehen“
 
Über die hier zitierten Fälle hinaus nennt das Gesetz diese Frist ausdrücklich auch für den „gemeinschaftlichen Betrieb der Praxis“, so dass die neue 3-Jahres Frist auch und insbesondere für Berufsausübungsgemeinschaften als Gemeinschaften im Rechtssinne gelten wird.
  
Möglichkeit der Umsatzsteigerung bei Jobsharing (§ 101 SGB V)
 
Bisher galten für Zusammenschlüsse im Rahmen eines „Jobsharings“ zwingend zu beachtende Leistungsobergrenzen für den abrechenbaren Leistungsumfang.
 
Der insoweit zugestandene Leistungsumfang wird bisher aus dem Durchschnitt der letzten 8 Quartalsabrechnungen ermittelt.
 
Der so ermittelte Leistungsumfang durfte bisher dann für alle Zukunft nur geringfügig, also bis maximal 103 % p.a. überschritten werden.
  
Diese Leistungsbegrenzung war bisher für viele niedergelassene Psychologische Psychotherapeuten/Innen, gerade im Bereich der „Mini-Abrechner“ ein unüberwindbares Hindernis, um von der gesetzgeberischen Möglichkeit des „Jobsharing“ Gebrauch zu machen, z.B. um sich unter Beibehaltung des Praxisbetriebes aus Altersgründen langsam aus dem Berufsleben zurück ziehen zu können.
 
Zukünftig soll diese Leistungsbegrenzung im Rahmen von „Jobsharing“- Zusammenschlüssen dann nicht mehr gelten, wenn der bisherige Praxisumfang unterdurchschnittlich ist/war, d.h. unter dem Fachgruppendurchschnitt liegt- die Leistungsmenge soll dann bis zum Fachgruppendurchschnitt steigen dürfen.
 
Diese Gesetzesänderung würde gerade für niedergelassene Psychologische Psychotherapeut/Innen einen enormen Handlungsspieltraum eröffnen, z.B.
 
  • könnte der Praxisumfang durch Ausweitung der Behandlungsstunden „hochgefahren“ werden,
  • jüngere Kollegen bekämen die Chance auf eine Anstellung/Arbeitsmöglichkeit mit entsprechenden angemessene Vergütung,
  • aus Altersgründen oder aus familiären Gründen könnte der Arbeitsumfang mit einem Kollegen/In ohne wirtschaftliche Nachteile und auch ohne Notwendigkeit den Sitz komplett aufzugeben geteilt werden
 
Weitere Details zu dieser geplanten gesetzlichen Neuerung sind noch nicht bekannt; diese soll der Gemeinsame Bundesausschuss regeln.
  
Prüfung des Umfangs des Versorgungsauftrages, Ergänzung im § 95 Abs. 3 SGB V
 
Den kassenärztlichen Vereinigungen wird in Zukunft auferlegt werden, sogenannte Terminservicestellen (§ 75 SGBV) einzurichten, um Patienten kurzfristig Behandlungstermine zu vermitteln.
 
Intention des Gesetzes ist, Wartezeiten für Patienten zu reduzieren.
 
In diesem Zusammenhang können KVen nun durch eine Ergänzung in § 95 Abs. 3 SGB V anhand der ihnen vorliegenden Leistungsdaten prüfen, ob Leistungserbringer den sich aus ihrer Zulassung ergebenden Versorgungsauftrag auch tatsächlich erfüllen.
 
Nach der Gesetzesbegründung soll so sichergestellt werden, dass alle Leistungserbringer in dem gesetzlich vorgegebenen (vollzeitigen) Umfang zur „Versorgung der Versicherten“ zur Verfügung stehen.
 
In Bezug auf diese Norm steht zu befürchten, dass es zunehmend durch die Kassenärztliche Vereinigung zu entsprechenden Prüfungen des Leistungsumfangs kommen wird und in diesem Zusammenhang so genannte “Mini-Abrechner“ sich einem (hälftigen) Sitzeinziehungsantrag ausgesetzt sehen werden, denn eine Erhöhung ihrer Arbeitsleistung ist ja mit dem Argument des Abbaus der überversorgten Planungsbereiche gerade nicht erwünscht, s.o.
 
Insoweit stellt diese gesetzliche Aufforderung zur Prüfung des Leistungsumfangs durch die KVen im Zusammenhang mit der Vermittlung von (mehr) Behandlungsmöglichkeiten schon in sich einen bemerkenswerten Widerspruch dar:
 
Einerseits soll den Versicherten zu kürzeren Wartezeiten und besseren Behandlungsmöglichkeiten verholfen werden, gleichzeitig sind die öffentlich-rechtlichen Entscheider dazu aufgefordert, an jeder erdenklichen Stelle dafür zu sorgen, dass durch die Einziehung von Sitzen die so genannte Überversorgung abgebaut wird.
 
Das ist an Widersprüchlichkeit kaum zu überbieten zumal wenn man bedenkt, dass die Kosten für den KV mit dieser dem Gesetzesentwurf vorgeschriebene Servicetätigkeit bzw. Vermittlungstätigkeit nach entsprechenden Schätzungen im zweistelligen Millionenbereich liegen werden.
  
Wenn man dann noch die Kosten dazu rechnet, die von den KVen im Zusammenhang mit der Entschädigung der Einziehung von Sitzen aufgebracht werden müssen, wird sich nicht nur die Frage stellen, wo diese Gelder herkommen sollen sondern liegt auch die Vermutung nahe, dass auch diese geplante Gesetzesänderung keinen langen Bestand haben wird.
 
Dies ändert aber zunächst nichts daran, dass die hier kurz skizzierten wesentlichen neuen Regelungen einen erheblichen Eingriff in die bisher bestehenden Eigentumsrechte der Praxisinhaber darstellen, aus denen erhebliche wirtschaftliche Unsicherheiten und Nachteile entstehen können und werden, auf die sich alle Betroffenen einstellen müssen.
 
Fazit:
 
Mehr denn je erfordert eine geplante Praxisübergabe oder entsprechende Nachfolgeüberlegungen sorgfältige Planung und einen „langen Atem“.
 
Die geplante Neuregelung zum „Jobsharing“ eröffnet gerade für niedergelassene Psychologische Psychotherapeuten und für junge Kollegen ohne vertragsärztliche Zulassung eine erhebliche Chance, die alle nutzen sollten, die den Wert ihrer Praxis erhalten und steigern und ggf. auch Kollegen ohne vertragsärztliche Zulassung eine Chance geben wollen.
 

 
 
 
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